Reisebericht von der Sonnenfinsternis über der Türkei

Zuerst hatte man uns 4 Tage vorher mitgeteilt, dass unser Hotel in der Innenstadt überbucht sei. Wir wurden daher auf ein 5-Sterne-Hotel in der Pampa umgebucht. Wenigstens konnten wir einen Mietwagen rausschlagen. Richtig los ging es dann am vergangen Dienstag um 5:00 ab Köln/Bonn. Wieder erwarten wurde meine selbstgebastelte Teleskop-Holzkiste problemlos eingecheckt und es konnte mit Air Berlin losgehen. Um 6:15 setzten wir dann zur kurzen Zwischenlandung in Dresden an, wobei ich vorher noch einen kurzen Blick auf das Leipziger Umland werfen konnte und die schon reichlich über die Ufer getretene Elbe sah. Gegen 10:15 OESZ landeten wir in Antalya, begleitet von einem größeren sächsischen Trupp mit SoFi-T-Shirts. Nacheinander rutschte ein verdächtig langes Paket nach dem nächsten auf das Band, nur meine Kiste nicht. Einer aus besagtem Trupp wies mich aber darauf hin, dass noch eine Holzkiste am Sperrgepäckschalter stand. Der Zoll lies sich dann damit beruhigen, dass das Plastikteleskop nur 60 ¤ gekostet hat und wir konnten mittels Mietwagen in das Hotel fahren, dass tatsächlich recht gut ausgeschildert war. Die Gegend ist noch etwas im Bau, daher muss man einige Umleitungen, die stetig wechseln, in Kauf nehmen.
Das Hotel selbst war die Wucht: All-Inclusive mit Wagen-Hol-Dienst, 3 Schwimmbädern, 4 Restaurants, 1 Disco, Thalassotherapie, Hamam, Massage, eigenem Kino (!), Supermarkt, Juwelier und was ich als Astronom sonst so alles brauche. Das Zimmer natürlich mit eigenem DVD-Player und Badezimmer mit Glaswand und Minibar. Halt wie zu hause. Nachmittags, nachdem wir uns am reichhaltigen All-Inclusive erquickt hatten, haben wir versucht, in die Stadt zu fahren. Verkehrsregeln sind in der Türkei relativ liberal auszulegen, und Straßenschilder gibt es selten, was nicht so schlimm ist, da es auch keine genauen Karten gibt. Jedenfalls haben wir das Stadtzentrum nicht gefunden. Dafür gibt es aber in Antalya einen eigenen Kreml, besser gesagt ein Hotel, was exakt so aussieht, und einen Markusdom. Tolle Sache.
Am nächsten Tag dann aufstehen um 8:00 Uhr und ganz aufgeregt frühstücken, und los ging es Richtung Hotelstrand. Schon mit der SoFi-Brille war die abgeknabberte Ecke der Sonne zu sehen. Also Teleskop aufgebaut und nach ein paar Minuten endlich die Sonne am Himmel gefunden, was selbst bei dem völlig klaren Himmel sehr schwer war, da man das Sucherfernrohr nicht benutzen kann und ein Anpeilen wegen der Helligkeit unmöglich ist, daher muss man so lange rumrühren, bis man den weißen Kreis genau im Blickfeld hat. Am Anfang der Beobachtung war kein einziger Sonnenfleck (heißere Regionen der Sonne, die nicht so viel im sichtbaren Bereich ausstrahlen) zu sehen, also ein komplett weißer Kreis mit fehlender "Ecke".
Natürlich waren die Arbeiter, die schon die ganze Zeit lustlos an der Fliesenschneidemaschine standen, neugierig geworden, und endlich traute sich einer, zu fragen, ob er mal durchschauen durfte. Natürlich. Habe dann auch meine 2 Zusatzbrillen verteilt, die ich extra aus Deutschland mitgenommen hatte. Natürlich kamen auch immer wieder Deutsche und ein englisches Paar, die alles erklärt haben wollten. Leider hat man ja als Astronom sonst so selten die Gelegenheit. Als ca. die Hälfte verfinstert war, machte ich dann auch meine Kamera startbereit, und stellte sie anhand der NASA-Belichtungstabelle ein. Da ich das ja von 1999 schon kannte, kam es mir auch nicht ungewöhnlich vor, das es langsam ziemlich kühl wurde, so auf 10°C dürfte es am Ende schon runtergegangen sein. Auch das Hotelmanagement hatte mittlerweile einen Blick durch das Teleskop riskiert. Man merkte dann, dass es zunehmend dunkler wurde und irgendwie die Schatten immer mehr in schwarz übergingen, was umso merkwürdiger wirkt, da diese natürlich aufgrund der Mittagszeit immer noch ganz kurz waren. Auch die Farbe des Sonnenlichts verändert sich nicht, wie das beim Sonnenuntergang der Fall ist. Irgendwie unbeschreiblich. Die Vögel fingen an zu schreien und begaben sich zu ihren Schlafplätzen. Noch 25 Minuten bis zur Totalität. Ich führte immer wieder mein Teleskop nach. Der Himmel wurde zusehends blauer. Plötzlich war er so dunkel, dass im Westen die Venus sichtbar wurde. Interessanterweise konnte man ohne die Brille immer noch nicht in die Sonne schauen und wenn man doch mal flüchtig hinsah, merkte man immer noch nicht, dass die Sonne nur noch eine schmale Sichel war. Dann begann die Totalität: Die Sichel war noch ein Punkt, das letzte Sonnenlicht, das durch die Täler des Mondes fiel und - zack - wurde es dunkel. Der Himmel war fast schwarz, aber Sterne konnte ich keine erkennen, nur die Venus. Die Sonnenkorona wurde plötzlich sichtbar. Eine schwarze Scheibe mit rötlichem Rand und dann schneeweiße Strahlen, wie Haarbüschel. Schnell ein paar Fotos mit wechselnden Belichtungszeiten freihand geschossen und für wenige Sekunden denn Sonnenfilter vom Teleskop entfernt. Sehr deutlich konnte man die lachsroten Protuberanzen, rote Bögen von heißem Plasma erkennen, die aus der Sonne schießen, etwa so dick wie die Erde. Auch mein Vater konnte noch einen Blick riskieren, dann schnell Filter wieder drauf und eine Minute später dann das blendende weiße "Diamantlicht", das erste Licht, das durch die Mondtäler fällt und den Perlschnureffekt, das ist die kleine projizierte Sonne, die sich in der Atmosphäre bricht und dann war es auch schon wieder so hell, dass man die Brille wieder aufsetzen musste. Hell wurde es dann ziemlich schnell wieder, jedenfalls meint man das. Wir bauten das Teleskop ab und sahen zu, dass wir noch etwas zu essen bekamen, denn das Büffet schloss 15 Minuten später.
Nachmittags sind wir dann richtig in die Stadt gefahren  (diesmal Weg gefunden) und sind mit der alten Nürnberger Straßenbahn gefahren, die durch die Innenstadt fährt und haben einen türkischen Kaffee getrunken. Am Tag drauf haben wir dann noch das "richtige" Touristenprogramm gemacht und haben uns den Wasserfall ins Meer, den Basar und die alte Moschee, die aus römischen Teilen zusammengebaut ist, angesehen. Dann waren wir noch im Haus von Herrn Atatürk, das übrigens deshalb das Atatürk-Museum ist, weil er dort eine Nacht lang gewesen ist. Freitags ging es dann mit Zwischenlandung in Nürnberg nach hause, wobei sich der Zoll nicht mehr für das Teleskop interessierte. Wenigstens kann man in der Türkei noch die Zigarettenbestellungen aus der Heimat erfüllen. Übrigens scheint der große Renner in der Türkei die Apotheke zu sein, da es dort keine Verschreibungspflicht gibt und man folglich von der Anti-Baby-Pille über jedes Antibiotikum bis hin zu Anabolika alles kriegt. Wer's braucht, auch eine Art der Gesundheitsreform. Sofort-Schlankheitsmittel hätte es aber eher gebraucht, denn die Boeing 747-400 war von den Berlinern ganz schön eng gestellt. Der Sitznachbar von meinem Vater hat getobt, dass er den Sitz gerade stellen sollte, damit andere Leute auch die Chance habe, zu essen, als Strafe dafür hat dann sein Kind gekotzt. Ich war natürlich todtraurig.
Jedenfalls war die Reise ein voller Erfolg, wir hatten totales Glück mit dem Wetter, denn Donnerstags und Freitags war der Himmel bewölkt, das Hotel war viel besser als das ursprüngliche und lag auch direkt am Strand (ist auch bestimmt viel teurer, aber das ist das Problem vom Reiseveranstalter). Die Türkei ist ein ganz tolles westlich-orientiertes Land, man sollte sich da keinen falschen Vorstellungen hingeben, die man hier evtl. gewinnen könnte. Bauchfrei rumlaufen ist da genauso üblich wie das Rumknutschen auf dem Mittelstreifen, ich bin nur freundlich behandelt worden, auch abseits der Touristengebiete.


© 2003-2008 by Gereon Schüller. Alle Rechte vorbehalten.
Design: Gereon Schüller <email@gereon.de>
Impressum